INTERVIEW: RIGA STRADINS UNIVERSITY – TEIL 1


Wir haben mit Maris Ginters, dem Leiter des International Office der Riga Stradins University gesprochen, der uns hilfreiche Infos für eine erfolgreiche Bewerbung für die Studiengänge Humanmedizin und Zahnmedizin an der RSU gegeben hat. Zudem spricht er über seine Erfahrungen mit deutschen Studierenden, gitb Tipps zu den ersten Wochen als Studierender im Ausland und gewährt einen Einblick in das Leben als Humanmedizin- oder Zahnmedizinstudent an der RSU

 

Academic Embassy: Viele deutsche Studierende reisen zum ersten Mal nach Lettland. Was können Studierende in der Orientierungswoche an der Riga Stradins University erwarten – vor allem wenn sie Sie am ersten Tag kennenlernen?

 

Maris Ginters: Die Orientierungswoche findet immer in der  Woche vor Beginn des Semesters statt. Wie der Name bereits andeutet, ist die gesamte Woche mit Aktivitäten für die neuen Studierenden gefüllt.

Den Montag halten wir immer für das Ankommen der Studierenden frei. An diesem Tag haben wir nur wenige Veranstaltungen geplant, falls Studierende also dringende Angelegenheiten erledigen müssen, können sie zu uns kommen und wir kümmern uns darum.

Am Dienstag beginnt dann das Programm mit offiziellen Präsentationen. Die Studierenden lernen den Rektor der Riga Stradins University und Kollegen des International Department kennen. Wir helfen den Studierenden, sich schon am ersten Tag kennenzulernen und organisieren interaktive Spiele. Zukünftige Gruppenmitglieder treffen sich auch zum ersten Mal, damit sie sich miteinander vertraut machen können. Insgesamt ist es ein lustiger Tag mit vielen aufregenden Aktivitäten, die alle das Ziel verfolgen, dass die Studierenden sich kennenlernen.
Mittwoch ist der sogenannte “Official Day”. Wir überprüfen Dokumente und stellen interne Regeln und Regularien vor. Außerdem besuchen uns Kollegen des Dekanats und stellen den Studierenden die akademischen Programme der RSU vor. Wir erklären den Studierenden zudem die notwendigen Schritte für ihre Anmeldung in Lettland.
Donnerstag ist üblicherweise der “technische Tag”, da wir für diesen Tag alle Informationen vorbereitet haben, die die Studierenden für den Anfang ihres Studiums benötigen. Diese beziehen sich auf die Zahlung der Studiengebühren, Fristen, die Semesterplanung (z.B. Klausurphasen, Ferien- und Feiertagstermine). Außerdem laden wir Mitarbeiter aus der IT-Abteilung ein, die den Studierenden unser System und die damit verbundene Registrierung erläutern. Zudem zeigt ein Studierender einer Studentenorganisation wie man das Studierendeninformationssystem der RSU benutzt und wie man seinen Stundenplan, den Raumplan, seine Arbeitsmaterialen und alles rund ums Studium erhält.
Am Freitag sind wieder mehr Freizeitaktivitäten geplant. Das Ziel ist wieder, dass sich die Studierenden kennenlernen und die Stadt entdecken können. Dies ist keine Pflichtveranstaltung, so dass man sich diesen Tag also für andere Dinge freihalten kann, die man erledigen muss. Dies sind in der Regel Wohnungsbesichtigungen, die vor allem in der ersten Woche erfolgen. Grundsätzlich bieten wir Aktivitäten an, aber wenn Studierende nicht teilnehmen möchten, müssen sie das nicht tun.
Mittwochs oder donnerstags veranstalten wir eine Informationsmesse, bei der sich alle Studentenorganisationen vorstellen und etwas über sich erzählen. Sie erklären, wie man sich bei ihnen helfen lassen kann und welche Probleme sie lösen können. Zudem stellt sich der Sportclub vor und andere Abteilungen der Universität erzählen etwas über ihre Arbeit. Wir laden einen Karriereberater sowie einen Psychologen ein, die die Studierenden während des Studiums an der RSU konsultieren können, wenn Bedarf besteht. Insgesamt sind dies also nützliche Dinge für die Studierenden. Das Ziel der Orientierungswoche ist, dass man sich schrittweise informieren kann. Dazu stellen wir alle notwendigen Informationen zur Verfügung. Diese Infos können sehr wichtig sein, da am Montag nach der Orientierungswoche das Studium beginnt und die Studierenden auf das neue Kapitel ihres Lebens vorbereitet sein müssen.

Zu den ersten Wochen des Studiums: Was erwartet deutsche Studierende in den Seminaren, Vorlesungen und Kursen? Gibt es etwas bestimmtes, auf das Sie insbesondere eingehen möchten?

 

Ja, und das wäre meine Antwort zu vielen anderen Fragen: die Studierenden müssen sich darüber bewusst sein, dass sie in ein anderes Land ziehen. Die Riga Stradins University hat, wie jede Universität der Welt, ihre eigenen Regeln, Fristen und Eigenheiten. Was ich sagen möchte, ist, dass die Studierenden vom ersten Studientag an bereits wissen sollten, wo sie hingehen müssen, in welchem Raum sie sein müssen und dass sie dort pünktlich zu erscheinen haben.

Dies sind Fähigkeiten, die auch in der späteren beruflichen Laufbahn erwartet werden, so dass dies eine gute Übung für die Studierenden darstellt. Um sie zu unterstützen haben wir die Orientierungswoche: damit es die Möglichkeit gibt, die Stadt kennenzulernen, den öffentlichen Nahverkehr zu verstehen und zu lernen, wo die Anatomievorlesung, die Biochemieseminare und weitere Veranstaltungen stattfinden werden. Deswegen versuchen wir ihnen so viele Informationen wie möglich zur Hand zu geben, damit ab dem ersten Tag klar ist, wo man hingehen und was man tun muss. In Lettland und an unserer Universität wird erwartet, dass man die Regeln kennt, dass man sie befolgt und dass man pünktlich ist - aber das ist nie ein Problem für deutsche Studierende. Trotzdem könnten sie eine halbe Stunde von der Innenstadt entfernt wohnen, in einen Stau geraten und den Anfang ihrer Klasse verpassen - das ist jedoch nicht erlaubt. Die Studierenden müssen besonders in den ersten Wochen vorsichtig sein, da man sich in diesen Tagen an die Stadt, die Professoren, das Material und ans Englischsprechen gewöhnen muss. Definitiv ist die englische Sprache etwas Neues im Leben der Studierenden. Egal, wie gut man Englisch spricht, wenn man mit dem Humanmedizin- oder Zahnmedizinstudium beginnt, muss man eine Sprache mit technischen Fachtermini sprechen. Für die meisten deutschen und lettischen Studierenden ist Englisch nicht die erste Sprache, also haben wir einen Akzent, der am Anfang vielen Studierenden etwas seltsam erscheinen kann.

Von was sind deutsche Studierende Ihrer Meinung nach in den ersten Wochen am meisten überrascht?

 

Grundsätzlich würde ich sagen, dass deutsche Studierende die einfachste Eingewöhnung in Riga haben, da bereits mehr als 800 andere Deutsche an der RSU studieren. Jemanden zu finden, der die gleiche Sprache spricht und schon länger in Riga lebt, ist für Deutsche also vergleichsweise einfach.

Ich kann jedoch nichts Ungewöhnliches berichten, das mir aufgefallen wäre. Pünktlich sein ist kein Problem. Einen bestimmten Ort zu finden ist heutzutage ebenfalls kein Problem. Vielleicht wäre die Beziehung zu den Professoren etwas, da Studierende häufig fragen, was man akademisch von ihnen erwartet. Unsere Antwort ist meistens, dass man davon in den ersten Unterrichtsstunden einen Überblick bekommt, weil jeder Professor seine eigenen Vorstellungen vom Unterricht, den Lehrinhalten und Materialien hat.

Die Professoren geben in den ersten Stunden eine Einführung in ihren Fachbereich, den Lehrstoff des ersten Semesters und zu ihrer eigenen Person. Studierende fragen manchmal, wie man sich auf die ersten Stunden vorbereiten kann. Auf den ersten Unterricht muss man sich nicht vorbereiten, da man dort umfangreiche Informationen erhält, die man für das gesamte erste Semester benötigt.
Ein weiteres mögliches Problem ist die Menge der neuen Informationen: neues Land, neue Sprache, neue Leute, unterschiedliche Erwartungen von den Professoren, unterschiedliche Lehrmethoden, unterschiedliche Veranstaltungsorte. In den ersten Monaten kommt alles zusammen. Wir sagen immer, dass man sich nach dem ersten Monat zu 100% sicher ist, wo man hingehen muss. Man muss es einfach ausprobieren. Einmal probieren und danach wird es einfacher.

Sie sind seit 2017 Leiter des „International Admissions Office“ und haben täglich mit internationalen Studierenden zu tun. Was würden Sie als typisch für deutsche Studierende bezeichnen?

 

Wie ich bereits erwähnt habe, ist die deutsche Pünktlichkeit typisch. In Lettland, wenn man sich unsere Geschichte und Kultur anschaut, haben wir eine Besonderheit, die wir “deutsches Zeitsystem” nennen. Wir sind es gewöhnt, pünktlich und nicht zu spät zu sein. Dies können Deutsche ebenfalls sehr gut, wobei andere Nationalitäten manchmal so ihre Probleme damit haben.

Außerdem ist mir aufgefallen, dass es deutschen Studierenden leicht fällt, ein gutes Verhältnis mit ihren Professoren aufzubauen. In Lettland und vor allem im medizinischen Fachbereich ist es nicht üblich seinen Professor mit dem Vornamen anzusprechen. Man benutzt seinen akademischen Titel und den Nachnamen. Damit haben Deutsche nie ein Problem. Andere Nationalitäten wie Niederländer oder Schweden sind davon eher überrascht oder sogar schockiert, dass man seine Professoren auf diese Weise anreden sollte. So ist aber die akademische Lebensweise an unserer Universität und in unserem Land.

Das wären die ersten beiden Aspekte, die mir einfallen. Die Studierenden sind immer höflich. Sie wissen, wieso sie hier sind und sind stets motiviert. Ihre Motivation fällt mir als Nicht-Mediziner immer als erstes auf. Die Studierenden sind 18, 19 oder 20 Jahre alt und motiviert zu studieren, haben das feste Ziel Ärzte oder Zahnärzte zu werden - und das bewundere ich.

Haben Sie im Rahmen Ihrer Tätigkeit Veränderungen im Hinblick auf das Profil der internationalen Studierenden, deren Niveau oder der Zusammensetzung der Nationalitäten beobachten können?

 

Die Riga Stradins University hat bereits 30 Jahre Erfahrung mit internationalen Studierenden. Die größte Veränderung, die ich im Laufe der Zeit beobachten konnte, fand vor etwa fünf bis sechs Jahren statt. Damals stieg die Zahl der Bewerbungen schnell an. Ein Trend, den man auch heute noch beobachten kann. Also ist die Studierendenanzahl die erste Veränderung.

Natürlich entwickelt sich die Universität stetig weiter, wir haben einen gewissen Ruf erlangt und versuchen die Qualität des Unterrichts beizubehalten. Deswegen haben wir vor drei oder vier Jahren die Bewerbungsanforderungen angehoben. Man muss keine Aufnahmeprüfung oder Tests ablegen, bevor man an der Riga Stradins University studieren kann, da wir nur die Schulnoten berücksichtigen. Die Noten im Abiturzeugnis sind die wichtigen Kriterien für die Aufnahme von Studierenden. Wir haben gewisse Mindestanforderungen für alle Länder, mit denen wir zusammenarbeiten. Für Deutschland gilt eine Mindestanforderung von mindestens 10 Punkten in den Halbjahren der Qualifikationsphase und in der Abiturprüfung in den wichtigsten Fächern Biologie, Chemie und Englisch. Außerdem beachten wir die Fächer Mathematik und Physik, da sie ebenfalls naturwissenschaftliche Fächer sind.

10 Punkte klingen im ersten Moment nicht sehr viel, aber wie ich erwähnt habe, ist dies die Mindestanforderung. Falls die Bewerber kontinuierlich 13, 14 oder 15 Punkte haben, steigen die Chancen von uns angenommen zu werden. Wenn Sie 10 oder 11 Punkte haben, kommt es auf den Wettbewerb im jeweiligen Jahrgang an. Wir haben jährlich Bewerbungen aus 40 verschiedenen Ländern und 40 verschiedenen Bildungssystemen – man muss also besser sein als viele andere Leute. Im September 2018 hatten wir rund 750 Bewerbungen von denen wir 300 angenommen haben. Grundsätzlich muss man also zwischen 400 und 500 Bewerber hinter sich lassen, um einen Studienplatz zu erhalten. Wie man das schafft? Indem man bessere akademische Resultate vorweisen kann, sprich bessere Noten im Abiturzeugnis hat.

Mehr Infos im zweiten Teil

Im zweiten Teil des Interviews mit Maris Ginters erfahren Sie mehr über die Zusammenarbeit von Academic Embassy und der Riga Stradins University. Außerdem haben wir den Leiter des International Office der RSU gefragt, wann der ideale Zeitpunkt für das Einreichen einer Bewerbung ist.