Stephanie Strauven - Teil 2


Stephanie Strauven war in der Zeit von 2011 bis 2017 Studierende der Humanmedizin an der Riga Stradins University in Lettland. Im zweiten Teil ihres Erfahrungsberichtes erzählt Sie uns von Lehrveranstaltungen an der Riga Stradins University, gibt Infos zu der Ausstattung der Seminarräume und zu dem, was man in Lettland am meisten vermisst.

Wenn Sie den ersten Teil des Erfahrungsberichtes verpasst haben, können Sie diesen gerne hier lesen.

 

Erzählen Sie ein wenig über die International Student Organisation an der Riga Stradins University und Ihre Rolle dort?

Ich hatte zwei verschiedene Positionen in der International Student Association (ISA). Ich war am Anfang zuständig für Public Relations der ISA. Später war ich Liason Officer und dafür verantwortlich, dass die International Student Association sich mit den nationalen Student Associations abstimmen konnte. So gibt es eine German Student Association, Swedish Student Association, Norwegian Student Association usw. Darüber hinaus war uns natürlich auch eine enge Zusammenarbeit mit den SP, also den lettischen Studentenvertretungen wichtig, die sehr respektiert sind an der RSU und eine bedeutende Rolle bei der Verhandlung mit den Professoren einnehmen, bei Problemen schlichten, Partys organisieren und vieles mehr. Durch diese Rolle habe ich ebenfalls sehr viele lettische Studenten kennengelernt, mit denen ich toll zusammengearbeitet habe. Das hat sehr viel Spaß gemacht!

 

Was ist Ihr Eindruck (Intensität, Anspruch) in Bezug auf die Intensität und den Anspruch der Seminare und Vorlesungen an der Riga Stradins University?

Das erste Semester ist definitiv als Eingewöhnungssemester zu verstehen. Man besucht nicht zu viele Kurse und fängt eher mit den Basics (z.B. Anatomie, Lettisch) an. Das bedeutet, man wird in das neue Umfeld eingeführt.

Ab dem zweiten Semester zieht es dann doch schon sehr gut an. Und im dritten, vierten Semester schwitzt man wirklich gut. Das ist dann schon heftig, so dass man genug tun muss, um überhaupt dabei bleiben zu können.

 

Wie groß waren die Lehrveranstaltungen?

In Histologie haben nun mehrere Gruppen zusammen Unterricht, gleichzeitig sind aber mehrere Professoren anwesend. Man hat also die Möglichkeit in einem persönlichen Gespräch mit dem Professor vor dem Mikroskop zu reden und Fragen zu stellen. Das ist auch genau das, was mir in der Vorklinik so gut gefallen hat.

Bei uns war es in der Vorklinik immer so, dass man bei den meisten Fächern in einer Gruppe von 10 Leuten in einem Raum unterrichtet wurde. In Anatomie waren es dann zwei Gruppen, also 20 Leute, die einen Kurs bei einem Professor belegt haben. Dort kann man dann ohne Probleme Fragen stellen; die Atmosphäre ist wie in einem Klassenraum und das ist wirklich toll. Luxus, den man an den deutschen Universitäten so nicht hat.

 

Was können Sie bezüglich der Ausstattung der Riga Stradins University sagen?

Ich finde, dass die Riga Stradins University mittlerweile sehr gut ausgestaltet ist. Dies hat sich insbesondere in den letzten Jahren sehr gesteigert.

Darüber hinaus hatten wir im Klinikum bzw. dem Krankenhaus eine wunderbare Betreuung! Ein Professor stand lediglich zehn Studierenden zur Verfügung. Das bedeutet, dass man oftmals nur zu zweit oder alleine mit dem Professor die Patienten im Rahmen der Visite gesehen hat. So würde ich sagen, dass es bezüglich der Ausstattung und Betreuung nichts zu meckern gibt!

Natürlich gibt es auch mal Fächer, in denen es ein wenig enger wird. Wenn ein Professor krank ist, werden dann kurzzeitig zwei Kurse zusammengelegt. Aber das ist etwas, was natürlich an jeder Uni passieren kann.

 

In welcher Art erfolgt die Leistungsabfrage an der Riga Stradins University: Hausarbeiten, Klausuren, unangekündigte Tests?

In Riga gibt es Tests, Kolloquien (eine Art Klausur) und Examen. Und es gibt auch schriftliche Arbeiten, die man in einigen Fächern abgeben muss. Darüber hinaus auch noch Präsentationen, die man mündlich vortragen muss.

Die Examen sind je nach Fach unterschiedlich aufgebaut: mal mündlich, mal schriftlich oder auch im multiple-choice Format. Das kann alles sein! So sind die mündlichen Prüfungen in Anatomie sehr ansprechend, weil diese sehr ins Detail gehen und man entsprechend lernen muss. Mich hat das sehr motiviert, da man – je nach Dozent – in Anatomie einmal die Woche einen Test haben kann.

 

Wie gut haben Sie sich auf Lettisch verständigen können?

Also in der ersten drei Semestern hat man sehr viel zu tun. Am Anfang war es für mich so, dass ich nicht mehr konnte, als im Supermarkt Wurst zu bestellen, zu wissen welche Produkte wie heißen und auf dem Markt nach meinen 200 Gramm Käse zu fragen. Aber wenn man dann im fünften Semester ist, hat man viel mehr Zeit, um sogenannte B-Kurse, also Parallel-Kurse zu belegen, so dass ich damals Lettisch genommen habe. Das hat natürlich auch etwas damit zu tun, dass man ab dem siebten Semester Patientenkontakt hat und sich dementsprechend verständigen muss. Aber das war dann zu diesem Zeitpunkt überhaupt kein Problem mehr. Man darf einfach nicht in Panik geraten, wenn man nach dem dritten Semester nicht fließend Lettisch spricht. Es ist eine schwierige Sprache, die einfach ein wenig Zeit braucht, um gelernt zu werden. Es kommt natürlich auch darauf an, wie sehr man sich einbringt. Eine Freundin von mir war bis zum Schluss im Orchester, hat dort viel Lettisch gesprochen und gehört und konnte letztendlich fließend Lettisch sprechen.

 

Was haben Sie in Riga am meisten aus Deutschland vermisst?

Ab und zu habe ich das deutsche Essen vermisst. Was man öfter in Riga bemerkt, ist dass in den Speisen ein wenig das Salz fehlt.

Als Familienmensch habe ich natürlich auch meine Familie sehr vermisst. Ansonsten hat es mit dem Besuch der Freunde sehr gut geklappt. Eine große Hilfe hierbei ist Ryanair. Die Kosten für die Flüge halten sich sehr in Grenzen, vor allem dann, wenn man alles im Voraus plant.

Was mir manchmal gefehlt hat, ist dass die Leute auf der Straße nicht so sehr lächeln. Die Letten würde ich eher als ein zurückgezogenes Volk bezeichnen. Darüber hinaus kann es im Winter durchaus sehr dunkel werden, woran man sich gewöhnen muss. Dafür ist es im Sommer umso länger hell.

 

Vielen Dank für die Zeit, Frau Strauven!

Mehr Infos im ersten Teil

Im ersten Teil des Interviews mit Stephanie Strauven spricht sie über ihr alltägliches Leben in Riga und ihre Wohnsituation. Außerdem haben wir sie nach den besten Transportmöglichkeiten in der lettischen Hauptstadt sowie den Kontakt zu Einheimischen gefragt.